Weniger Verkehr für Klein Borstel!
Nun steht es zu großen Teilen, das Neubaugebiet auf dem Gelände des ehemaligen Anzuchtgartens des Ohlsdorfer Friedhofs. Von Anfang an war klar, dass es mehr Verkehr in den Ortsteil bringen würde - nicht der unwichtigste Grund für den Widerstand, den die Baupläne in Klein Borstel hervorgerufen haben. Zur Zeit allerdings hält sich der Verkehr noch in Grenzen. Das liegt daran, dass noch nicht alle Wohnungen und Häuser fertig sind - aber es liegt auch daran, dass die Pforte am Sodenkamp noch für den Autoverkehr geschlossen ist. Dort, wo früher der Sodenkamp an einem Tor zum Anzuchtgarten endete, gibt es jetzt einen Durchgang für Fußgänger und Radfahrer. Er wird eifrig genutzt, lädt zur Abkürzung und zum Spazierengehen ein.
Für die Autofahrer ist weiterhin an der Pforte Schluss. So sollte es den ursprünglichen Planungen zufolge auch bleiben. Nun aber ist vorgesehen, den Sodenkamp nach Abschluss der Bauarbeiten zu öffnen: Klein Borstel soll eine neue Durchgangsstraße bekommen. Warum?
Es gibt drei Argumente für eine Öffnung des Sodenkamp:
- Polizei und Rettungsdienste argumentieren, dass eine Zufahrt zu dem großen Neubaugebiet nicht ausreicht, schon gar nicht, wenn sie unter einer S-Bahn-Brücke hindurchführt. Das Argument ist sicherlich richtig - aber um Kranken- und Feuerwehrwagen den Zugang zum Neubaugebiet zu ermöglichen, würde eine Schranke oder ein versenkbarer Poller ausreichen; dafür muss der Sodenkamp nicht zur Durchgangsstraße werden.
- Einige Klein Borsteler haben den Eindruck, mit einem Poller auf der Straße schotte sich das Neubaugebiet gegen das „alte“ Klein Borstel ab. Es gibt aber einen regen Fußgänger- und Fahrradverkehr durch die Pforte, Menschen aus dem Neubaugebiet gehen im Dorfzentrum einkaufen, Menschen aus dem „alten“ Klein Borstel nutzen den Weg durch das Neubaugebiet als Abkürzung, als Schulweg oder zum Spazierengehen. Wieso sollte es zu einer stärkeren Integration führen, wenn zusätzlich Autos durch den Sodenkamp brausen dürfen? Sie werden wohl kaum für einen kleinen Plausch anhalten, wie er sich beim Spazierengehen von selbst ergibt. Außerdem: Durch S-Bahn, Friedhof und alte Bebauung gibt es in Klein Borstel viele Sackgassen oder Stellen, an denen man nur zu Fuß durchkommt. Ein Poller auf dem Sodenkamp würde also gut zum Charakter von Klein Borstel passen.
- Manche Politiker meinen, der Verkehr aus dem Neubaugebiet werde sich gleichmäßiger verteilen, wenn der Sodenkamp geöffnet wird. Insbesondere würden bei einem geschlossenen Sodenkamp mehr Autos an der Schule vorbeifahren, was gefährlich für die Kinder sei. Richtig daran ist, dass bei einem geöffneten Sodenkamp der eine oder andere Bewohner des Neubaugebiets nicht über den Schluchtweg, sondern über den Sodenkamp fahren wird. Es ist jedoch völlig utopisch anzunehmen, dass durch einen geöffneten Sodenkamp nicht auch zusätzliche Autos rollen werden, die die neue Durchgangsstraße nutzen: Eltern, die über den neuen Weg ihre Kinder bis vor die Tür von Kita oder Schule bringen; Menschen, für die das einfach der günstigere Weg zur Wellingsbütteler Landstraße wird; oder auch neuer Schleichverkehr vom Friedhof her. Wenn der Sodenkamp geöffnet wird, wird also keinesfalls weniger Verkehr an der Schule vorbei durch den Schluchtweg rollen. Das sieht auch der Elternrat der Albert-Schweitzer-Schule so und hat sich daher für die Pollerlösung im Sodenkamp ausgesprochen.
Im Endeffekt geht es also darum, ob Klein Borstel damit leben kann, dass der Verkehr aus dem Neubaugebiet durch den Schluchtweg abfließt. Aus Sicht der Verkehrsplaner wäre das kein Problem. Der Schluchtweg ist sowieso die Haupterschließung für das Neubaugebiet – deswegen wurde der Kreisel gebaut, deswegen ist die Unterführung unter der S-Bahn hindurch so hoch. In ihren Rechnungen gingen die Planer davon aus, dass ein Drittel des Verkehrs der gut 200 neuen Wohnungen über den Sodenkamp läuft, zwei Drittel über den Schluchtweg. Nicht berücksichtigt haben sie dabei, dass ein knappes Drittel der Haushalte im Neubaugebiet autofrei lebt. Es entsteht dort also sowieso nur der Autoverkehr, der nach den Planungen sowieso über den Schluchtweg laufen sollte.
Die Alternative ist, den Sodenkamp zu öffnen und zu hoffen, dass dadurch nicht allzu viel neuer Verkehr „angelockt“ wird. Aber welche Vorteile bietet eine Sodenkamp-Öffnung, dass wir Klein Borstel dieser Gefahr der Verkehrszunahme aussetzen sollten? Aus unserer Sicht keine. Wir wollen dieses Risiko nicht eingehen. Wir wollen weniger Verkehr für Klein Borstel.
"Wir", das ist eine Gruppe von Klein Borstelerinnen und Klein Borstelern, die sich dafür einsetzen, dass der Sodenkamp geschlossen bleibt. Nicht zuletzt gehören zu dieser Gruppe BewohnerInnen der Klimaschutzsiedlung. Sie haben sich verpflichtet, autofrei zu wohnen, und finden es daher besonders perfide, dass vor ihrer Haustür eine Durchgangsstraße entstehen soll. Eine Unterschriftensammlung im Frühsommer 2009 hat gezeigt, dass sie damit im Stadtteil große Unterstützung finden: Innerhalb von wenigen Tagen haben über 350 Menschen aus Klein Borstel den Aufruf unterzeichnet.
Diese Unterschriften sollten Politik und Verwaltung vor Ort zeigen, dass in dieser Sache etwas passieren muss. Der Leiter des Bezirksamts Hamburg-Nord hatte auch zugesagt, den Poller-Vorschlag fachlich zu prüfen. Leider ist dies nicht geschehen; stattdessen hat das Bezirksamt dem zuständigen Regionalausschuss Anfang Dezember nur eine Stellungnahme übermittelt, die die alten Positionen und Argumente wiederholt. Dementsprechend haben die Mitglieder des Regionalausschusses den Poller-Vorschlag in ihrer Dezember-Sitzung nicht unterstützt. Die Argumentationen waren dabei teilweise erschreckend: So meinte der Ausschussvorsitzende Jörg Lewin (SPD), auch wenn die Mehrheit der Klein Borsteler dafür sei, dass der Sodenkamp geschlossen bleibt, sei ihm das egal; andere zeigten sich unabhängig von jeder inhaltlichen Argumentation schlicht genervt, dass sie sich schon wieder mit dem Neubaugebiet befassen sollten; eine CDU-Abgeordnete wollte uns nicht einmal ausreden lassen. Das zeigt: Wir haben nur eine Chance, wenn wir den Politikern klarmachen, dass wir es sind, die sie wählen - oder auch nicht!